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information & entwicklung

Entscheidungsfindung lernen:

NICHT SO EINFACH IM REICH DER ANGEBOTE

Lauter kleine Maybes?

Foto: ©

pixabay.com

21 | JUNI 2015

Was tun?

sprach Zeus.

Friedrich von Schiller

(1759-1805)

N

eulich vor einem Supermarkt:

ein Vater geht ein paar Schritte

vor einem kleinen Miniexemplar

seiner selbst, etwa 5 Jahre alt.

Der Vater trägt zwei kleine Getränke-

päckchen mit Strohhalm und fragt den

Sohn: „Kevin, magst du die Limo mit

Erdbeergeschmack oder mit Pfirsich?“

Kevin zuckt mit den Achseln. „Du musst

mir das schon sagen, sonst gehen wir

zurück und kaufen eine andere. Apfel

vielleicht?“ Kevin murmelt: „Ich weiß

nicht. Habe keinen Durst. Will nichts trin-

ken.“ „Es ist heiß. Welche Sorte magst

du jetzt?“ „Sag du!“, schreit Kevin

plötzlich. Kevins Papa schaut ratlos. Er

will doch nur das Beste für seinen Sohn:

Freie Entscheidungsmöglichkeit.

Der junge Vater ist – so wie unsere

Gesellschaft - zunehmend geprägt von

einer neuen Lebenssicht und –weise:

„Ich bin ein Maybe. (engl. = vielleicht,

eventuell) Meine Freunde sind Maybes.

Ich wäre zwar gerne keiner, aber es ist

nun mal so. Ich tue mir schwer Entschei-

dungen zu treffen. Mich festzulegen.

Mich einer Sache intensiv zu widmen.

Ich bin entscheidungsschwach. Ich sehe

all die Optionen vor mir, die Verlo-

ckungen einer ultramodernen Welt, in

der alles möglich ist.“ Der Journalist

Oliver Jeges bringt es in seinem Buch

„Generation Maybe“ auf den Punkt.

Wir leben in einer Epoche, in der alles

möglich zu sein scheint, aber nichts sein

muss. Alles ist erlaubt, aber es freut

einen nicht immer alles. Die scheinbare

Freiheit, in der die Generation der 15-

bis 30-jährigen heute lebt, ist für sie

nicht nur zum Segen geworden. Wer

alles haben kann, der hat ein großes

Problem: er muss sich entscheiden

aus einer unüberschaubaren Fülle des

Angebots.

Kinder müssen erst lernen Entschei-

dungen zu treffen. In der riesigen Fülle

des Angebots heutzutage tun sich damit

schon Erwachsene schwer, wie viel mehr

Kinder. Eltern und Pädagogen können

den Kindern beratend zur Seite stehen.

Manchmal müssen und dürfen sie den

Kindern diese Entscheidungen auch

abnehmen, weil sie manchmal besser

wissen, was für das Kind gut ist. Auch

durch diese scheinbaren Grenzen ihrer

Freiheit lernen Kinder Entscheidungen

zu treffen. Ein „Nein“ oder „Entscheide

dich jetzt“, trainieren Kinder vom

„eventuell“ (maybe) zum „Ja, das ziehe

ich jetzt durch“ oder „Ich entscheide

mich für...“ zu kommen. Dies formt

sie nach und nach zu Menschen, die

wissen was sie wollen, allerdings

nicht zu jedem Preis oder auf Kosten

anderer…

DI Roswitha Wurm

Dipl. Legasthenie-/

Dyskalkulietrainerin

www.roswitha-wurm.at

tipp

Oliver Jeges, Genera-

tion Maybe – Die Si-

gnatur einer Epoche,

Haffmans Tolkemitt,

Berlin 2014