LERNEN MIT ZUKUNFT Ausgabe Juni 2013 - page 14

14 | JUNI 2013
Individuelle Leistung im Konflikt mit der Schule:
SO BEGINNEN VIELE MÄRCHEN. ABER AUCH VIELE GESCHICHTEN, DIE NUR ZU
WAHR SIND
Es war einmal…
information &verantwortung
information & verantwortung
E
s war einmal ein junger Mann.
Hochbegabt. Ein Musiker. Von
klein auf mit dem Klavier ver-
bunden, ganz nebenbei ein hervorra-
gender Schüler. Seine Eltern erkannten
das schlummernde Genie, förderten es,
brachten es zur Blüte. Und mit 14 Jahren
stehen sie vor einer fast unlösbaren Auf-
gabe: sie müssen sich entscheiden zwi-
schen einer musikalischen Karriere - es
rufen bereits internationale Bühnen nach
Auftritten des jungen Mannes - oder dem
Verbleib in einer öffentlichen Schule. Sie
halten dies nun für ein Märchen? Ist es
leider wirklich nicht. Überlegen Sie ein-
fach: Wenn unser kleines Genie nun von
Bühne zu Bühne gereicht wird, Auftritt
um Auftritt hat und nebenbei noch von
einigen großen Pianisten unterrichtet
wird, wie viel Zeit bleibt dann noch für
seine schulische Karriere? Leider ist es
gerade dieses sensible Alter, in dem
manche Weichenstellung getroffen wer-
den muss, die in einen Konflikt zwischen
Schulbildung und Förderung der individu-
ellen Begabung führt.
Tatsächlich hätte der junge Mann in einer
öffentlichen Schule Schuljahre übersprin-
gen können - dazu hätte er jedoch Zeit
und Muße finden müssen, diese dann
auch wirklich zu besuchen. Gewählt hat
er dann den zweiten Bildungsweg. In nur
9 Monaten war er maturareif, durfte je-
doch erst 3 1/2 Jahre später seine Reife-
prüfung machen, weil es der Gesetzgeber
eben so will. Was für ein Glück, dass er
seine Zeit durchaus sehr sinnvoll verbrin-
gen konnte. Das war seine individuelle
Leistung, nicht die des Schulsystems.
Es war einmal - und es ist die Regel -
dass individuelle Begabungen im mu-
sischen oder auch im sportlichen Bereich
im krassen Widerspruch zur Regelschul-
ausbildung stehen. Und dort, wo private
Bildungseinrichtungen helfen könnten,
versagt die Politik die notwendige Unter-
stützung.
Diese Spitze des Eisbergs zeigt eine
Grundstimmung unseres Bildungssy-
stems. Individuelle Leistung steht ganz
offenbar im Konflikt zu einer klassischen
Schulbildung. Wer nicht außerordentliche
Wege geht, wozu einerseits das familiäre
Umfeld aber auch die finanziellen Mög-
lichkeiten vorhanden sein müssen, wird
den Weg des Mittelmaßes beschreiten
müssen. Verzicht auf außergewöhnliche
Leistung steht dann einer Vereinheitli-
chung auf dem Niveau des Mittelmaßes
gegenüber. Schade - unendlich Schade
um das schlummernde Potential unserer
Söhne und Töchter - die übrigens dereinst
unsere Pensionen zahlen sollen, wozu
wohl Höchstleistungen erforderlich sein
werden.
Was wäre gefordert? Viel mehr Autono-
mie, Modularität, Anpassungsfähigkeit.
Und dazu wäre ein sehr hohes Maß an
Autonomie notwendig. Angefangen bei
den Schulen selbst bis hin zur Verant-
wortung, die unseren Lehrkräften mehr
und mehr entzogen wird, anstatt zu er-
kennen, dass Verantwortung nur Tragen
kann, wem Verantwortung übergeben
wird.
Foto: © Spectral-Design-Fotolia.com
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Mag. Matthias Roland
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